Edith Hall: Was würde Aristoteles sagen?

Wir alle wollen glücklich sein. Das Glück bzw. der englische Begriff „happy“ müssen für Vieles herhalten, vom Happy Meal über die Happy Hour bis hin zu den Happy Hippo Schokoriegeln. 967 Millionen Menschen haben bei YouTube Pharell Williams Song „Happy“ gehört und die Beatles fanden „Happiness Is a Warm Gun“. Trotzdem wird es schwierig, wenn wir beschreiben sollen, was wir unter Glück eigentlich verstehen. Pharell Williams singt von einem Gefühl „wie ein Haus ohne Dach“. Das ist ein kurzer, flüchtiger Moment. Aber meist meinen wir eher ein dauerhaftes Gefühl, das besser mit Zufriedenheit beschrieben ist.

 

 

Was also ist Glück eigentlich genau? Wenn wir auf diese Frage eine Antwort haben, können wir in einem zweiten Schritt darüber nachdenken, wie wir diesen Zustand erreichen. Aristoteles beschreibt Glück mit dem griechischen Begriff eudaimonia, man kann das durchaus übersetzen mit Wohlbefinden oder Zufriedenheit. Aber der Begriff hat im Griechischen eine aktive Komponente. Eudaimonia ist ein Handeln, es ist praxis. Also ist die Frage, wie diese praxis aussehen muss, um zu eudaimonia zu kommen. Das klingt jetzt vielleicht verkopft, aber Aristoteles war ein sehr praktischer und handfester Denker. Was er meint ist schlicht: Wie muss ich leben, um zur eudaimonia zu gelangen? In den drei Ethiken, die uns von Aristoteles überliefert sind, geht es um praktische Lebensführung.

 

Die englische Altertumswissenschaftlerin Edith Hall untersucht in ihrem ganz einfach bezaubernden Buch, welche Hilfestellungen und Antworten uns Aristoteles für unser Leben gibt. In zehn Kapiteln stellt sie zentrale Begriffe von Aristoteles vor. Sie beginnt mit der Frage, was Aristoteles unter Glück versteht. Eine erste Antwort darauf lautet: Glück ist es, das eigene Potenzial entfalten zu können. Dahinter steht der große aristotelische Gedanke der Teleologie, der unser Streben nach Glück einordnet in die zielgerichtete Struktur von Natur überhaupt. Solche Zusammenhänge erläutert Hall fast nebenbei und liefert damit eine kurze Einführung in die Philosophie eines der wichtigsten Denker der Weltgeschichte.

 

 

Doch zurück zum eigenen Potenzial: Was also möchte ich machen in meinem Leben, wozu fühle ich mich berufen? Manchmal, auch das lernen wir von Aristoteles, verfehlen wir uns, weil uns die Umstände dazu gezwungen haben. Und manchmal erreichen wir unser Ziel spät, aber wir kommen an. Wer immer gern malen wollte, aber eben auch Geld verdienen und eine Familie ernähren musste, wird vielleicht nach der Rente noch zum Künstler oder zur Künstlerin.

 

 

Wir treffen wir kluge Entscheidungen? Wie kommunizieren wir miteinander? Was ist mit der Liebe? Wie halten wir es mit der Freizeit? Und wie ist unser Verhältnis zum Tod? Edith Hall führt uns ganz mühelos vor Augen, dass Aristoteles alles andere als verstaubt ist. Seine Einsichten sind auch nach fast 2.500 Jahren noch gültig. Man kann sie bei Bewerbungsschreiben und Vorstellungsgesprächen ebenso nutzen wie bei der Partnerwahl, bei Eheproblemen oder Streit mit Freunden.

 

 

Edith Hall schreibt mit einer in jeder Zeile spürbaren Begeisterung für Aristoteles. Sie ist an alle Ort gereist, an denen er je gelebt hat. Und diese Nähe zu ihm und ihr profundes historisches Wissen machen ihr Buch einfach lesens- und liebenswert. Es ist ein Buch, das ich meiner Tochter schenken werde, weil sie daraus viel für ihr Leben lernen kann.

 

 

 

Edith Hall: Was würde Aristoteles sagen? Zehn philosophische Lektionen für das Glücklichsein, Siedler Verlag 2021.

 

Udo

 

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