Jonas Goebel: Jesus, die Milch ist alle

Wohin schickte Gott Jesus, wenn er heute wieder in unsere Welt käme? In ein Flüchtlingslager oder in einen internationalen Konzern? Und wie? Als Mann oder Frau – jungfräulich empfangen, behütet aufgewachsen oder direkt erwachsen? In eine Familie? Einen Singlehaushalt?


In Jonas Goebels „Jesus, die Milch ist alle“, erschienen im Frühjahr 2021,  steht er als unscheinbarer junger Mann wie ein „Deus-ex-machina“ an einem Sonntag im Spätsommer mit einem Fahrrad  plötzlich im Hof des Pastorats einer evangelisch-lutherischen Gemeinde in Hamburg. Dort wohnen der junge Pastor (alias der Autor) und seine Freundin Trixi. Sehr zusammenrücken muss man nicht, sich aber an mancherlei gewöhnen. Denn gleich nach Jesus kommt auch noch der Reformator Martin Luther ins Pfarrhaus  und als neue WG mit unterschiedlichen Sozialisationen - um 30 nach Christus, Mittelalter, Gegenwart - gilt es, den ganz normalen Alltag mit Putzen, Essen oder Einkaufen ohne Reibereien und genüsslich zu bewältigen. Alle sind zudem „von oben“ her „beauftragt“ und  „berufstätig“. Jesus soll ein neues Evangelium schreiben, Martin die bisherigen biblischen Schriften neu übersetzen, Jonas ist Pastor und Trixi Gemeindepädagogin.


Rund um dieses gleichbleibende Szenarium spinnt Jonas Goebel lesenswerte Geschichten, ähnlich einer Telenovela. Dabei ist er erstaunlich bibelfest. Jesus sagt nichts, was sich nicht biblisch rückbinden ließe. Er geht durch Türen und Wände, liest Gedanken, kann ungemein gut zuhören und Menschen – z.B. im Seniorenheim oder Jugendliche im Nachtbus  – zuinnerst treffen, ist ganz bei ihnen. Er sieht schrecklich gern TV und ist dabei überaus mitfühlend, z.B. angesichts von Szenen aus einem Flüchtlingslager. Und dazwischen immer wieder der spitzfindige, kluge und kritische Reformer Martin Luther.


Da alle vier um Gott in Welt und Kirche kreisen und am WORT hängen, entspinnen sich unter den WG´lern Gespräche über z.B. die Kirche, Gottesdienst, Predigen, Lehren, Kirchensteuer, Jesu Alltag,  seine Gottessohnschaft, sein Verhältnis zu Frauen, zum Zölibat.
Das Buch ist ein Gedankenspiel mit theologischem und biblischem Faktenwissen und liest sich angenehm leicht. Dadurch, dass sein „Sitz im Leben“ wie selbstverständlich kirchliches Gemeindeleben in einer auch digitalen Welt ist, läuft die Kommunikation analog und in unterschiedlichen digitalen Formaten. Ihr Erfolg wird z.B. an der Zahl der „Follower“ der eingerichteten Youtube-Kanäle abgelesen. Man geht miteinander in die Uni oder in den Gottesdienst oder in Ferien, spielt  digital  und sieht viel fern.


„Mehr“ wissen tut man nach der Lektüre dieses anderen Jesus-Buches nicht. Insbesondere die theologischen Insider sollten da keine hohen Ansprüche haben. Aber darum geht es auch nicht. Wer sich einlässt, sieht vielmehr, wie die Botschaft Jesu in ein zeitgemäßes Colorit gekleidet werden kann. Und zwar so, dass sich auch jüngere Menschen abgeholt fühlen. Und das für Jung und Alt auf eine amüsante und oft überraschend Weise.


Jonas Goebel: Jesus, die Milch ist alle. Meine schräge WG und ich. Freiburg: Herder, 2021.

 

Sabine

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