Philippa Rath (Hg.): „Weil Gott es so will“

Mit „Weil Gott es so will“ ist Anfang Februar 2021 auf dem deutschsprachigen religiösen Büchermarkt eine neue Pflichtlektüre für Klerikale, Priester, Ordensleute und Laien*innen erschienen. Ein „Muss“, das insbesondere vom Bischof bis zum Diakon jeder sehr genau gelesen haben sollte. Warum? Weil es ein Evolutionssprung für ihre religiöse DNA bedeuten kann – wenn sie sich auf Entwicklung oder anders, vertrauter ausgedrückt: auf Umkehr einlassen. Kirche bekäme dadurch Zukunft in einer ganz neuen Gestalt.

 

Schon der Buchtitel fordert von (den meisten) ein Umdenken. Eigentlich „gehört“ dieser Halbsatz den Männern, die sich von Gott in ihre Weiheämter berufen wissen und von daher scheinbar auch wissen, was Gott will, jedenfalls hinsichtlich der Frauen in der Kirche. Sie setzen ihn als Schlusspunkt der Argumentation zu den Fragen: „Warum sind in der katholischen Kirche Weiheämter Männern vorbehalten? Warum können Mädchen denn nicht Priesterin oder Diakonin oder – noch bis weit in die 70-er Jahre hinein – Messdienerin werden?“ -  „Weil Gott es so will!“

 

Genau dieses ihr Argument lesen sie jetzt als Titel eines Buches, in dem Frauen davon erzählen und erklären, dass sie sich als Priesterin oder Diakonin gerufen fühlen und ihr Leben lang davon angetrieben sind, ihre Berufung zu leben „und zwar auf Augenhöhe mit den Männern dieser Kirche, weil Gott es so will.“ (31) Stimmt da was nicht?

 

„Weil Gott es so will“ ist eine Sammlung von 150 geistlichen Kurzbiographien, die um Fragen der Berufung kreisen. Herausgegeben hat sie Philippa Rath, Benediktinerin der Abtei St. Hildegard in Eibingen bei Rüdesheim. Sie ist auch deren Initiatorin, wie eine E-Mail von ihr verrät an zwölf „Liebe engagierte Frauen, denen wie mir das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche am Herzen liegt!“. Mit dieser Email setzt die kurze - fünf Wochen vor Pfingsten 2019 dauernde - Entstehungsgeschichte ihrer Textsammlung ein. Die Herausgeberin leitet ihr Anschreiben sinnigerweise an die Leserschaft weiter, indem sie es als Prolog an den Anfang des Buches setzt, gefolgt von einer lesenswerten Einführung. Unter den Überschriften „Einblick“, „Rückblick“ und „Ausblick“ bindet sie es spirituell-biblisch rück, ordnet es in den aktuellen kirchlichen Dialog zur Frauenfrage ein und erschließt es inhaltlich. Dabei stellt sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Texte heraus:

 

„Vor allem aber zeichnen die Zeugnisse das erschütternde Bild einer ungeheuren Ressourcen -und Charismen -Verschwendung, die sich seit Jahrzehnten in der Kirche ereignet hat und immer wieder ereignet… Der Schmerz und der Leidensdruck vieler Frauen ist groß. Viele leiden im Stillen haben sich irgendwie arrangiert oder aber auch resigniert; manche haben im benachbarten Ausland, vor allem in der Schweiz, ihre Berufung leben und mehr Entfaltungsmöglichkeiten finden können; wieder andere haben sich entschieden, die katholische Kirche zu verlassen, und in der alt -katholischen oder evangelischen Kirche ihren Platz gefunden; eine kleine Gruppe schließlich ist den Weg der ´Weihe contra legem´ gegangen, hat für ihre Berufung die Ex-Kommunikation auf sich genommen und leidet bis heute schwer unter diesem Ausschluss. … Allen gemeinsam aber ist das Fundament auf der Heiligen Schrift, das Ernstnehmen und ein großer Respekt vor der Tradition, Kultur und Geschichte der katholischen Kirche und ein klares Bekenntnis zu den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils. Viele Beiträge atmen einen zutiefst ökumenischen Geist und ausnahmslos allen geht es um einen pastoralen Ansatz und eine pastorale Zukunftsperspektive.“ (14f)

 

Sr. Philippa Rath ist Delegierte beim Synodalen Weg; im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ ist sie mit der Teilhabe von Frauen an Weiheämtern aus theologischer Sicht, mit neuen Ämterstrukturen und dem Zugang zu Ämtern und Diensten über Charismen befasst. Den theologischen Diskurs wollte sie um konkrete Lebenszeugnisse ergänzen, auch weil insbesondere delegierte Bischöfe berufene Frauen in der Kirche als eher selten betrachteten. Von den zwölf Frauen weiß sie, dass sie sich zur Diakonin oder Priesterin berufen fühlten oder fühlen, kennt ihre unerfüllte Sehnsucht, fragt sie nach deren Auswirkung auf ihr Leben und bittet sie, auch davon zu berichten, „für welche Alternativen sie sich dann warum entschieden haben“. Ihre Mail wird, durchaus gewollt, „an interessierte Frauen“ weitergeleitet und bald liegen 150 Berufungs- und Lebenszeugnis in ihrem Postfach.

 

Es sind sehr bewegende Geschichten von Frauen zwischen Anfang 20 und Anfang 90, die sich schon als Kind, aber auch in späteren Phasen der Selbstfindung hingezogen fühlen zu Gott und auf seinen inneren Anruf antworten wollen. In einem Leben der Hingabe, der Verkündigung, der Seelsorge, als Priesterin oder Diakonin.

 

Da sich viele, die meisten für ein theologisches, pastoraltheologisches, religionspädagogisches Studium entscheiden, das in eine kirchliche Anstellung für unterschiedlichste seelsorgerliche Aufgaben als Gemeindereferentin, Pastoralreferentin, Gemeindeleiterin, Geistliche Begleiterin oder in ein Lehramt in Schule oder Universität führt, erfährt man vieles über die Berufsmöglichkeiten in der Kirche für Frauen. Angesichts des unterschiedlichen Alters der Autorinnen, das vier Generationen umfasst, ist das ein durchaus interessanter geschichtlicher Gang durch die gelebte Geschichte kirchlicher Berufsprofile für Frauen. Das ist aber eher eine Sachebene des Buches und nicht das Ergreifende – das, warum ich das Buch nicht mehr weglegen konnte. Was sich beim Lesen vor einem ausbreitet, sind Spiritugramme, sehr persönliche geistliche Lebenszeugnisse, die in hohem Maße die eigene Empathie herausfordern und freisetzen und in denen man sich selbst vielfach wiederfinden kann. Man kann dieses Buch nicht kritisieren wie andere Bücher, den Geschichten Authentizität oder Wahrheit zu- oder absprechen, dafür eignen sich Lebens- und Berufungszeugnisse einfach nicht. Man kann sie mit viel Respekt und Staunen lesen. Welches Leiden, dem innersten Ruf nicht folgen zu dürfen! Welche Kraft, ihm treu zu bleiben, trotz vielfältigster Kränkungen, Ablehnung, Negierung! Und angesichts dessen: Welche Reifung und Reife unterschiedlichster Charismen und Begabungen! Welche lebensvolle, visionäre Energie für ein Priesterinsein der Nähe zum anderen, Geschwisterlichkeit und Seelsorge!

 

Wo, fragt sich da, kommt das alles her? Wie kann es sein, dass diese Berufenen von den anderen Berufenen nicht in ihrer Berufung wahrgenommen werden? Nicht nach ihrer Berufung gefragt werden? Es kann doch wohl nicht sein, dass Weihe berufungsblind macht? Denn: Wenn Gott wirklich nur Männer hätte haben wollen, warum beruft er dann Frauen?

 

Spannend wird sein, wie dieses Buch wirkt. Das Verbot von Weihe und Amt für Frauen gilt zwar (noch) für die Weltkirche, aber die Zeit des Schweigens von uns Frauen ist vorbei. Ich kann mir kaum vorstellen, dass „Weil Gott es so will“ keine Wellen schlägt weit über die Kirche in Deutschland hinaus und nicht ähnliche Sammlungen von Berufungsgeschichten von Frauen in anderen Ländern der Weltkirche anstößt. Dafür werden wir schon allein durch die starken nationalen und internationalen Netzwerke von uns katholischen, christlichen Frauen sorgen. Das wird das Gesicht der Kirche wandeln. Und auch die eingangs erwähnte religiöse DNA. Der Heilige Geist, die heilige Geistkraft weht bekanntlich, wo er, sie will.

 

Voller Spann- und Geistkraft ist auch der Blick nach vorne, den die Lebens- und Berufszeugnissen der Autorinnen haben: Das liest sich z.B. so:

 

„Ich wünsche mir eine Gemeinde und eine Kirche, in der geschlechter- und generationenübergreifend die Kompetenzen aller einbezogen werden. Ob ich diese innerhalb oder außerhalb der katholischen Kirche finde, ist mir wenig relevant, wichtig sind mir Gleichgesinnte und ebenfalls das Reich Gottes suchende Menschen. Das Geschlecht ist dabei unwichtig. Aber natürlich habe ich, wie viele andere auch, noch die Hoffnung, dass sich dies innerhalb der Institution katholische Kirche und insbesondere durch den Synodalen Weg erfüllen möge. Falls nicht, gibt es für mich keine ernst zu nehmenden Gründe mehr, noch immer an dieser Institution festzuhalten und dadurch das System weiterhin zu stützen. Meine Berufung wird sich dann im Sinne des jesuanischen Wortes ´sorgt euch nicht’ aus der Bergpredigt, bzw. der Feldrede schon irgendwie ihren Weg suchen.“ (42)

 

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„Mein Traum ist eine Kirchengemeinde, in der die Menschen - Männer wie Frauen - Ämter und Funktionen erhalten, die die Fähigkeiten dazu aufweisen, am besten immer auf eine Zeit beschränkt mit einer gesunden Rotation. Wir brauchen Leitung und Führung, keine Frage, aber nur in Verbindung mit den entsprechenden Charismen und Kompetenzen. Außerdem braucht es lebendige, gestandene Menschen, reife authentische Persönlichkeiten in der Kirche, die ihre Sexualität integriert haben. Leider führt der Pflichtzölibat zu Beziehungsverzicht oder -verlust und bei vielen somit auch zur Hemmung gesunder Beziehungsgestaltung , eine grundsätzliche Voraussetzung jeder pastoralen Tätigkeit. Ich bin Vollblut-Theologin und Gott zutiefst dankbar für meinen Weg und mein Leben, zu dem seit 37 Jahren mein Mann und unsere Kinder gehören. Ich bin in die Gemeinschaft der Christgläubigen berufen, von Gott geweiht, mit heiligem Geist beseelt, getragen, geliebt und gewürdigt. Es ist meiner und unserer nicht würdig, bei den Glaubensbrüdern um diese Ermächtigung in Form einer Weihe zu bitten, die ich von Gott selbst empfange, immer wieder neu. Die männliche Ämterhierarchie und kirchenrechtliche Verfasstheit ist in meinen Augen eine unsägliche Versündigung an der Gleichwertigkeit und Ebenbürtigkeit der Menschen und Verrat an der jesuanischen Botschaft vom Reiche Gottes, dem Reich der geschwisterlichen Liebe.“ (93)

 

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„Zum Schluß noch zwei Visionen/Träume: Ich könnte mir vorstellen, für eine bestimmte Zeit in einer Gemeinschaft verschiedener (Ordens -)Frauen zu leben, die sich theologisch, spirituell und pastoral auf (neue) kirchliche Ämter vorbereiten.

 

(…) ich träume von einer Kirche,

 

·        in der jede Stimme gleichwertig ist;

 

·        die danach fragt, was Jesus sagen würde und nicht, was das Kirchenrecht sagt;

 

·        die Frauen und Männer in die Apostelnachfolge sendet und in allen Ämtern willkommen heißt;

 

·        in der das Charisma und die spirituelle und fachlicher Eignung Kriterien sind für das Priesteramt und nicht das Geschlecht;

 

·        die von den Menschen mit einem Brennen für Gott verbunden wird und nicht mit Strukturen und Macht.“(205f)

 

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„Mit den Jahren meiner Erfahrungen mit der Kirche und meines geistlichen Weges komme ich immer mehr zur Erkenntnis, dass ein sakramentales Weiheamt für Frauen erst möglich und sinnvoll ist, wenn das zur Zeit praktizierte Weiheamt, das Männern vorbehalten ist, generell auf einen ehrlichen und offenen Prüfstand kommt. … Erst wenn das zur Zeit bestehende Weiheamt von negativer und oftmals unreflektierter Machtausübung entlarvt ist; erst wenn Doppelmoral im Blick auf zölibatäres Leben aufgehoben ist; erst wenn die oft überhebliche Haltung, in persona Christi einzig und allein der Eucharistie vorzustehen, eine Entmystifizierung erfährt; erst wenn undurchsichtige mitbrüderliche ´Seilschaften` aufgedeckt werden; erst wenn es einen respektvollen Austausch auf Augenhöhe zwischen Amtsträgern und Frauen gibt, ist wirksam an ein Weiheamt für Frauen in unserer Kirche zu denken.“ (230)

 

 

Philippa Rath (Hg.): „Weil Gott es so will“ Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin, Verlag Herder, Freiburg 2021

 

Sabine

 

Kommentare: 1
  • #1

    Regina (Mittwoch, 03 März 2021 18:28)

    Die Kirche hat einen guten Magen,
    hat ganze Länder aufgefressen
    und doch noch nie sich übergessen;
    die Kirch allein, meine lieben Frauen,
    kann ungerechtes Gut verdauen.
    Faust 1, Spaziergang.

    Danke für diesen Hinweis auf ein besonderes Buch und die Vorstellung dieser besonderen Frauen. Wie glücklich sollte sich die Kirche - wen immer wir auch damit meinen - schätzen, dass es immer noch Menschen gibt, die sich in der Kirche, am liebsten mit der Kirche, für diese Kirche einsetzen wollen.
    In den Fundamentaltheologievorlesungen vor langer Zeit habe ich gelernt, dass die "Tradition" fortdauernde Entwicklung beinhaltet, und ich fand das einen faszinierenden und tröstenden Gedanken. Jetzt wird es wirklich Zeit für weitere Entwicklungsschritte.