Erinnerung an Papst Benedikt XVI./Kardinal Joseph Ratzinger

Am 31. Dezember 2022 ist Papst Benedikt XVI., Kardinal Joseph Ratzinger, gestorben. Das nehmen wir zum Anlass, einige Erinnerungen aufzuschreiben und in alten Fotos zu stöbern.

 

Wir haben 1995 in Rom in der deutschen Kirche Santa Maria dell´Anima geheiratet. Am Tag nach unserer Hochzeit hatte uns Kardinal Ratzinger zur Frühmesse und zum Gespräch in die Kirche Santa Maria della Pietà im Campo Santo Teutonico (Deutscher Friedhof) eingeladen. Sabine freute und erstaunte das. Im Vorhinein nämlich hatte Udo die Möglichkeit, von Kardinal Ratzinger getraut zu werden, abgelehnt. Er wollte nicht von der „Inquisition“ als Vorläufereinrichtung der Kongregation für die Glaubenslehre, deren Kardinalpräfekt Joseph Ratzinger war, verheiratet werden. Eingefädelt hatte das die Malerin Ulrike Herfeld (1945 – 2019), mit der wir befreundet waren und die wiederum eine Freundin von Ratzinger war. Sie hatte eine ganze Reihe von Bildern für ihn gemalt, die im Vatikan hingen, pflegte Korrespondenz mit ihm, traf ihn gelegentlich in Rom oder anlässlich seiner jährlichen Besuche an Allerheiligen in Pentling am Grab seiner Schwester. Später als Josef Ratzinger Papst Benedikt XVI. wurde, haben wir beides: gelacht und selbstzufrieden gegrinst. Hätten wir das damals gewusst, dann könnten wir heute sagen: Ein Papst hat uns getraut. So blieb es dabei: Wir sind unserer Offenheit für neue Wege im theologischen Denken treu geblieben.

 

Geheiratet hatten wir zusammen mit einigen engen Freunden. Am frühen Morgen nach unserer Hochzeitsnacht nun rief Ulrike an. Es war sechs Uhr. Wir seien um 7:00 Uhr zur Frühmesse im Vatikan eingeladen. Ulrike hatte unsere Hochzeit verpasst und war erst am späten Abend in Rom eingetroffen. Im ersten Moment wollten wir die Einladung ausschlagen, aber Ulrike bestand darauf. Also haben wir uns angezogen und sind noch vor 7:00 Uhr mit dem Taxi durch das gerade erwachende Rom gefahren. Allein das hatte das frühe Aufstehen gelohnt. Als wir kurz vor der Messe dann am Vatikan ankamen, war der Petersplatz menschenleer. Wer zum Campo Santo Teutonico will, muss den Schweizer Garden, die den Seiteneingang zum Friedhof bewachen, nur erklären, dass man Deutscher ist. Dann kann man passieren und den geschichtsträchtigen Friedhof besuchen, auf dem zum Beispiel der deutsche Schriftsteller Stefan Andres begraben liegt. Wir wohnen heute ganz in der Nähe seines ehemaligen Hauses am Rhein in Unkel.

 

Wir kamen pünktlich zur Messe an. Ulrike wartete bereits und gemeinsam gingen wir in die Kirche. Dort feierte Kardinal Ratzinger eine schlichte Donnerstagsmorgen-Messe. Santa Maria war fast leer. Es gab keine Predigt und nach kaum 40 Minuten wurde der Schlusssegen gesprochen.

 

Das Gespräch mit dem Kardinal fand dann im Kreuzgang statt, der den Friedhof umschließt. Den Gelehrten und Wissenschaftler Ratzinger hatten unsere Doktorarbeiten in Theologie und Philosophie, von denen er über Ulrike Herfeld informiert war, interessiert. Eine gute Stunde sind wir in den Gängen des deutschen Friedhofs umhergegangen. Er hatte unsere Bücher offensichtlich gelesen. Udos über die Zeit bei Aristoteles und Sabines zur mystischen Anthropologie, „Erfahrungsraum Herz“, der Theologinnen in Helfta. Wie ihn anreden, stand im Vorhinein für uns zur Diskussion, denn wir kannten ihn noch nicht persönlich. Für Sabine war das echt eine Frage. In den Korrespondenzen der Bischofskonferenz – Sabine war damals Referentin für Menschenrechte bei Justitia et Pax/ DBK – gab es festgelegte Anredeformen innerhalb der kirchlichen Hierarchien. Eminenz? Herr Kardinal? Ganz normal, meinte Udo, Herr Ratzinger.

 

Joseph Ratzinger nahm sich Zeit für die Zeit und der Theologieprofessor frug kenntnisreich und tiefgründig nach. Seine ruhige Gesprächsführung tat dem Gedankenaustausch gut. Seine Bestimmtheit setzte Grenzen. Bei Sabines Arbeit fragte er nicht nach der Abgrenzung zur thomanischen Theologie in Helfta, sondern nach deren liturgischer Prägung. Die spezifisch weibliche Theologie des Helftaer Theologinnenkreises interessierte ihn wenig. Was wir auch nicht anders erwartet hatten.

 

Bei späteren Treffen mit seinem weiten Freundeskreis zu Allerheiligen in Pentling hat Sabine einige Male Ulrike Herfeld begleitet, die den Kardinal jedes Mal dort traf. Ulrikes besondere Beziehung zu ihm drückte sich besonders dadurch aus, dass sie ihm immer schräg gegenübersaß. Nach dem Gang zum Familiengrab Ratzinger und einem Gottesdienst, der musikalisch durch Georg Ratzinger mit besonderen Messkompositionen gestaltet wurde, lud Kardinal Ratzinger in ein Gasthaus zum Weißwurstessen mit Brezen. Das zog sich lange hin bis in den Nachmittag, denn diese Treffen nutzte er für viele auch kirchenpolitische Einzelgespräche. Einmal saß Sabine ihr ehemaliger Professor, der Neutestamentler Rudolf Pesch, gegenüber, der seinen Lehrstuhl an der Universität Freiburg für das Leben in der Integrierten Gemeinde in München aufgegeben hatte.  Mit ihm z. B. zog sich Kardinal Ratzinger eine Zeitlang zurück. Damals sprach man innerkirchlich von der Gründungsidee einer Akademie der Theologie des Volkes Gottes der Integrierten Gemeinde in Rom.

 

Mit der Wahl zum Papst am 19. April 2005 endeten diese Reisen. Ulrike war zur Amtseinführung eingeladen und nahm auch teil. Später traf sie Papst Benedikt mehrmals im Rahmen seiner Generalaudienzen. Auch wenn der Kontakt jetzt nicht mehr so eng war wie mit dem Kardinal, bekam sie doch hin und wieder Post von ihm, die sie uns begeistert vorlas. Für die evangelische Malerin war die Freundschaft zu dem katholischen Kardinal eine wichtige Quelle und Inspiration. So malte sie immer wieder Marienbilder. Und ihre Rombilder nehmen einen herausragenden Platz in ihrem umfangreichen Werk ein.

 

Zur Webseite von Ulrike Herfeld: ulrike-herfeld.com

 

Sabine und Udo

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